Kennen Sie “Class Scopes”?


Maximaler Schutzumfang der Markenanmeldung bei geringem Schreibaufwand – die “Class Scopes

Lange Zeit herrschte in Europa Rechtsunsicherheit, ob die Verwendung einer der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation Schutz für die gesamte Klasse verschafft; das HABM hatte diese Frage bejaht (Mitteilung 4/03 des Präsidenten des HABM vom 16. Juni 2003) während die Klassenüberschriften im DPMA nach ihrem Wortlaut ausgelegt wurden und nicht per Definition sämtliche Waren oder Dienstleistungen der betreffenden Klasse umfassten.

In dem Fall “IP Translator” (C-307/10) hat der EuGH entschieden, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können. Daraufhin hat das HABM seine Praxis zu den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation geändert (Mitteilung 2/12 des Präsidenten des HABM vom 20. Juni 2012).

Aufgrund ihrer Ausrichtung und Ausführlichkeit sind die Class Scopes ein Mittel, praktisch Schutz für eine komplette Klasse der Nizzaer Klassifikation zu erlangen, und zwar nicht mittels behördlicher Anordnung, sondern weil die Class Scopes aus Oberbegriffen bestehen, die nach ihrer begrifflichen Bedeutung alle Waren und Dienstleistungen umfassen, die ihnen in der jeweiligen Klasse untergeordnet sind. Bei der Erarbeitung der Taxonomy wurde eine entsprechend hohe Sorgfalt aufgewendet, damit die in ihnen vorgenommene Aufteilung die jeweilige Klasse tatsächlich ausschöpft.

Die Class Scopes in der deutschen Version können als pdf- Datei heruntergeladen werden. Sie finden sich auch in der Datenbank TMClass (tmdn.org) und werden sichtbar, wenn man in der Klassenstruktur der Taxonomy mit dem Mauszeiger über dem Titel einer Klasse verharrt.

Das DPMA wird die Verwendung der deutschen Fassung der Class Scopes, wie sie hier veröffentlicht sind, in Waren-/Dienstleistungsverzeichnissen akzeptieren. Der Anmelder hat also die Möglichkeit, ohne großen Schreibaufwand und natürlich auch ohne große intellektuelle Befassung mit der Klassifikation, einen maximalen Schutz für die jeweilige Klasse zu erlangen, bei Wahl aller Class Scopes für alle 45 Klassen also Schutz “praktisch” für sämtliche derzeit bekannten Waren und Dienstleistungen zu bewirken.

Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach deutscher Rechtsprechung auch die Class Scopes durch ihren Wortlaut bestimmt werden. Sollten Waren oder Dienstleistungen existieren, die sich nicht unter die Oberbegriffe der Class Scopes subsumieren lassen, so besteht kein Schutz für diese Waren oder Dienstleistungen. Eine solche Lückenhaftigkeit der Class Scopes kann z.B. auch durch die deutsche Übersetzung entstanden sein, die mit der englischen Ausgangsfassung nicht völlig kongruent ist. Es wird hier also keine Garantie dafür übernommen, dass auch wirklich alle Waren oder Dienstleistungen der jeweiligen Klasse unter diese Oberbegriffe fallen. Angesichts mehrjähriger und sehr sorgfältiger Arbeit an der Taxonomy ist es aber jedenfalls ein extrem weitgehender Schutz, der bei Verwendung der Class Scopes erlangt werden kann.

Zu beachten ist, dass die Verwendung von Class Scopes in einem Waren-/Dienstleistungsverzeichnis eine “Momentaufnahme” darstellt. Sollten später neue Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt auftreten, die durch die Oberbegriffe nicht umfasst sind, besteht für diese kein Schutz. Auch spätere strukturelle Änderungen der Nizzaer Klassifikation können nicht integriert werden. Basis ist die jeweilige Ausgabe und Version der Nizzaer Klassifikation auf dem Stand des Zeitpunkts der Markenanmeldung.

In zwei Fällen sind die Class Scopes als “offene” Tatbestände ausgelegt: Das betrifft einmal die “Einzel- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf…”, zum anderen “Installations-, Reinigungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten in Bezug auf…”. Ohne eine Angabe konkreter Produktbereiche wären diese Begriffe noch zu unbestimmt. Hier muss der Markenanmelder konkrete Waren oder auch Warenoberbegriffe bzw. Produktsektoren eintragen (bei Nutzung der eKDB wird er aufgefordert, Waren dieser Datenbank einzutragen). Ein Schutz für das gesamte Spektrum der Einzel-/Großhandelsdienstleistungen bzw. des Reparaturwesens be-steht in diesen Fällen in der Regel nicht.

Quelle: DPMA


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