Markenverband: Europa benötigt eine Behörde für geistiges Eigentum

Produkt- und Markenpiraterie, die zumeist mit kriminellen oder mafiosen Strukturen einhergeht, ist eine der größten Bedrohungen für qualitäts- und innovationsgetriebene Volkswirtschaften und deren nachhaltiges Wachstum. Vor diesem Hintergrund fordert der Markenverband, dass der Kompetenz- und Aufgabenbereich des europäischen Markenamtes weit über die bisherigen Zuständigkeitsgrenzen erweitert wird. „Europa braucht mehr als ein gemeinsames Markenamt, es braucht eine mit umfangreichen Aufgaben ausgestattete Behörde für geistiges Eigentum, ein echtes IP-Office“, sagt Dr. Alexander Dröge, Leiter Recht/Verbraucherpolitik im Markenverband.

Dabei muss diese Behörde gar nicht neu geschaffen werden, vielmehr sollte bei Überlegungen zu einer Erweiterung des Kompetenz und Aufgabenbereichs des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) mutig über die bisher bestehenden Zuständigkeitsgrenzen hinausgedacht werden.

Ein solches europäisches Intellectual Property (IP)-Office könnte seinen Informations- und Schulungsservice gerade für kleine und mittlere Unternehmen ausbauen, um diesen die Erlangung von Schutzrechten weiter zu erleichtern. Dies lässt sich hervorragend auch in Kooperation mit den nationalen Markenämtern umsetzen. Doch das Informations- und Schulungsangebot für Unternehmen kann auch weit über den europäischen Ansatz hinaus gehen. Durch Kooperationen mit Drittstaaten könnte ein europäisches IP-Office nicht nur die Weiterentwicklung des Schutzes geistigen Eigentums in anderen Teilen der Welt forcieren, sondern für europäische Unternehmen auch ein wichtiger Informationspool zur Erlangung und Verteidigung von Schutzrechten in diesen Drittstaaten werden.

Neben der Modernisierung und Harmonisierung von Fragen der Markeneintragung und Markenrecherche muss der Ansatz eines echten IP-Office aber auch auf den Bereich der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums gerichtet sein. Die Eingliederung des European Observatory on Counterfeiting and Piracy in das HABM ist hier ein guter, aber eben nur ein erster Schritt. Die Unterstützung von Durchsetzungsbehörden wie Zoll und Polizei könnte folgen. Dabei geht es nicht darum, dass sich ein IP-Office in Fahndungsaktivitäten einmischt. Die Erweiterung der Datenbanken um Details von Originalprodukten und Hintergrundinformationen zu Fälschungen sowie Ansprechpartner in den Unternehmen kann aber eine wertvolle Hilfe sein.

Zusätzlich sollte ein europäisches IP-Office das Wissen um den Schutz geistigen Eigentums durch wissenschaftliche Studien und Forschungsprojekte vorantreiben So könnten nicht nur neue Erkenntnisse für Durchsetzungsbehörden und Rechteinhaber gewonnen werden. Das IP-Office könnte auch intensiver noch als bisher ein Berater der Kommission zur Fortentwicklung des Rechtsrahmens werden. Eine Art Wissens- und Interessensvertretung für die Rechte des geistigen Eigentums.

Quelle: Pressemitteilung Markenverband

Strategiepapier der Europäischen Kommission zum Geistigen Eigentum

3.2. Modernisierung des Markensystems in Europa

Die nationale Markeneintragung in den EU-Mitgliedstaaten ist seit nahezu 20 Jahren harmonisiert17, die Gemeinschaftsmarke wurde vor 15 Jahren eingeführt18. Das Markensystem in Europa zeigt eindeutige Erfolge. Dies lässt sich unter anderem an neuen Rekordzahlen bei den Anträgen auf Gemeinschaftsmarken aus dem Jahr 2010 (über 98 000 Anträge) und dem
erwarteten millionsten Antrag 2011 seit Einführung der Gemeinschaftsmarke im Jahr 1996 ablesen. Die Betroffenen fordern jedoch zunehmend zügigere, bessere und straffere Systeme für die Markeneintragung, die sich durch größere Konsistenz, Benutzerfreundlichkeit und öffentliche Zugänglichkeit auszeichnen und technologisch dem aktuellen Stand entsprechen. Um diesen Forderungen nachzukommen, muss das europäische Markensystem modernisiert und an das Zeitalter des Internets angepasst werden.

2009 startete die Kommission eine umfassende Bewertung der Gesamtfunktionsweise des Markensystems in Europa. Auf der Grundlage dieser Bewertung und einer Folgenabschätzung wird die Kommission im letzten Quartal 2011 Vorschläge zur Überarbeitung der
gemeinschaftlichen Markenverordnung und der Markenrichtlinie vorlegen.

Ziel der Überarbeitung ist eine Modernisierung beider Systeme sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene, um sie effektiver, effizienter und insgesamt kohärenter zu machen. Den Schwerpunkt bilden Verbesserungen in folgenden Bereichen: 1) Vereinfachung und Beschleunigung des Eintragungsverfahrens unter Berücksichtigung der elektronischen Anforderungen; 2) Erhöhung der Rechtssicherheit, z. B. durch Neudefinition des Markenbegriffs; 3) Klärung des Geltungsbereichs von Markenrechten, unter anderem im
Hinblick auf Produkte in unterschiedlichen Situationen im gesamten Zollgebiet der EU; 4) Schaffung eines Rahmens für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) in Alicante und den nationalen Markenämtern mit dem Ziel, die Verwaltungspraxis zu harmonisieren und gemeinsame Instrumente zu entwickeln, z. B. solche, die wesentlich mehr Optionen für die Prioritätssuche bieten, und Beobachtung des Registers im Hinblick auf Eintragungsverstöße; 5) Verbesserung
der Kohärenz zwischen der Richtlinie und der Verordnung, insbesondere durch stärkere Angleichung der Rechtsgründe für eine Eintragungsverweigerung auf europäischer Ebene; 6) Angleichung der Gründe für Ablehnungen und Koexistenz von Regeln für geografische Angaben im Rahmen der Richtlinie und der Verordnung.

Auf jeden Fall werden alle von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke in Einklang mit dem Binnenmarktkonzept stehen und die Einheitlichkeit dieses erfolgreichen Titels für Rechte des geistigen Eigentums wahren.

Quelle: Europäische Kommission

EU plant geschützte Herkunftsbezeichnung für Industrieprodukte

Was im Bereich der Lebensmittel bereits lange etabliert ist, soll zukünftig auch für den Non-Food Bereich möglich sein – die geschützte Herkunftsbezeichnung.

Geografische Angaben: Geografische Angaben stellen eine Verknüpfung zwischen der Qualität eines Produkts und seiner geografischen Herkunft her. Derzeit gibt es jedoch auf EU-Ebene kein entsprechendes System für den Schutz nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse, z. B. für Carrara-Marmor oder Solingen-Messer. Dadurch entstehen im Binnenmarkt ungleiche Rahmenbedingungen. Die Kommission wird deshalb 2011 und 2012 eine umfassende Analyse des derzeitigen Rechtsrahmens in den Mitgliedstaaten sowie der potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Schutzes für nichtlandwirtschaftliche geografische Angaben durchführen. Abhängig vom Ergebnis einer Folgenabschätzung könnten dann gegebenenfalls Legislativvorschläge ausgearbeitet werden.

Quelle: Europäische Kommission “Kommission präsentiert strategisches Konzept für Rechte des geistigen Eigentums, um Kreativität und Innovation zu fördern