Interview zum Thema gTLD und Online-Markenschutz


Die Frist für die Bewerbung um die neuen generischen Top Level Domains (gTLD) ist am 30. Mai abgelaufen. Wird einem Unternehmen die beantragte Domain-Endung zugesprochen, kommen zu den bisherigen URLs wie beispielweise .com, .de oder .org noch solche mit dem jeweiligen Markennamen hinzu. Durch die Einführung der neuen gTLDs ergeben sich für Markeninhaber viele Chancen, aber auch Herausforderungen, durch die der Markenschutz im Internet in Zukunft noch wichtiger wird. Denn aufgrund der großen Anzahl an möglichen Domains steigt das Risiko, dass es zum Markenmissbrauch kommt. Frank Schulz, Regional Manager Central Europe bei MarkMonitor, erklärt, was jetzt auf Unternehmen zukommt, die sich beworben haben, wie sie die Domains für sich nutzen können und was sie für den Schutz ihrer Marke zukünftig beachten müssen.

Wie geht es nach Ablauf der Bewerbungsfrist für die Unternehmen weiter, die sich um eine neue gTLD beworben haben?
Frank Schulz: Am 13. Juni wurden die Namen der Bewerber um eine neue gTLD sowie ihre gewünschten Domain-Endungen auf der ICANN-Webseite bekannt gegeben. Bewerber haben also erstmals einen Überblick darüber, ob und wie viele andere Unternehmen mit ihnen um eine bestimmte Domain konkurrieren. Bis zum 12. August gibt es die Möglichkeit, eingereichte Bewerbungen zu kommentieren. Hat sich jemand für eine Domain mit einem ähnlichen oder dem gleichen Markennamen wie dem eigenen beworben, kann das betroffene Unternehmen zudem sieben Monate lang bei der World Intellectual Property Organization (WIPO) Einspruch einlegen – auch wenn es sich selbst nicht um die Domain beworben hat. Aufgrund des großen Andrangs werden die Bewerber für die Prüfung ihrer Unterlagen mithilfe eines digitalen Verfahrens in mehrere Gruppen aufgeteilt. Welcher Domain-Anwärter in welche Prüfungsgruppe kommt, wird am 11. Juli bekannt gegeben. Dann wird ihnen auch ein grober Zeitrahmen genannt, in dem sie mit der Entscheidung über ihre Bewerbung rechnen können.

Vorausgesetzt die Entscheidung über eine Bewerbung fällt positiv aus – wie können Unternehmen neue gTLDs wie .berlin für sich nutzen?
Frank Schulz: Durch die neuen gTLDs können spezielle Konsumentengruppen gezielter angesprochen werden. So könnten in einem Namensraum wie .berlin Seiten registriert werden, die einen Bezug zu der jeweiligen TLD haben. Handelt es sich bei der TLD um eine Stadt oder Region können beispielsweise Sehenswürdigkeiten oder ansässige Firmen registriert werden. Im Fall eines Markenunternehmens bietet sich die Registrierung von Filialen, Lieferanten und Produkten an. Kunden können so alle nötigen Informationen rund um ein Markenprodukt an einem Ort finden. Die dadurch entstandenen Marken-Inseln sorgen für ein positives Kundenerlebnis und somit auch zu einer engen Bindung an die Marke.

Das erfordert vermutlich einen hohen Koordinationsaufwand. Welche Strukturen und Prozesse braucht es, um einen Domain-Namen zu verwalten?
Frank Schulz: Geht eine neue gTLD online, bedeutet das für den Eigentümer, dass er einen Wechsel vom Endanwender (Registrant) zum Anbieter (Registry) vollzieht und sich damit auf ein komplett neues, unbekanntes Geschäftsmodell einlässt. Die technische Infrastruktur und das spezielle Know-how der Mitarbeiter für den Betrieb einer Domain sowie für die Verträge mit verschiedenen Parteien müssen an den Vorgaben der ICANN ausgerichtet sein. So muss zum Beispiel vertraglich festgelegt werden, wer unter welchen Bedingungen Domains registrieren darf. Für die Registrierungen muss zudem mit einer Drittfirma, einem so genannten Registrar, zusammengearbeitet werden. Dieser führt den Vorgang dann bei der Domain Name Registry, in diesem Falle der Eigentümer der Marke, durch.

Welche Auswirkungen haben die neuen gTLDs auf die Konsumenten und das gesamte Internet?
Frank Schulz: Das Internet wird durch die neuen TLDs mit Sicherheit deutlich vielfältiger. Denn zu den 250 bis 300 aktuellen TLDs wie .com, .de oder .tv werden durch die Regelung der
ICANN vermutlich über 1900 neue gTLDs hinzukommen. Für den normalen Konsumenten wird das Internet dadurch noch verwirrender. Zudem kann es durch weniger strenge Registrierungsregeln und fehlendes Monitoring auf vielen der neuen gTLDs von Unternehmen zu Markenmissbrauch kommen. Markeninhaber müssen daher zum einen die Registrierungsmöglichkeiten der eigenen TLD genau regeln und die Registrierungen überwachen. Zum anderen müssen sie das Monitoring des Internets ausweiten, um sich selbst und ihre Kunden zu schützen. Gerade in der Anfangszeit werden Betrüger versuchen, die ungewohnte und unübersichtliche Situation zu ihrem Vorteil auszunutzen.

Mit welchen betrügerischen Aktivitäten ist dabei zu rechnen?
Frank Schulz: Wir sprechen hier zum Beispiel von Phishing und Cybersquatting. Mit Cybersquatting ist die Registrierung von Domain-Namen gemeint, die einen Markennamen, einen Slogan oder ein Handelszeichen beinhalten, an denen der Registrant keine Rechte hat und die für illegale Zwecke genutzt werden. Auf diesen Seiten werden oft gefälschte Produkte angeboten oder es wird auf andere Seiten verlinkt. Dadurch gelangt man wiederum auf Fälscherseiten oder in einigen Fällen auch auf Originalseiten, wofür Markeninhaber jedoch ungerechtfertigte Provisionen zahlen müssen. Von Phishing, also von Identitätsdiebstahl, ist die Rede, wenn die Originalseite eines Unternehmens identisch kopiert wird, um Verbaucher auszuspionieren. Halten diese die Seite für das Original und geben ihre Daten ein, gelangen die Betrüger ohne Probleme an persönliche Informationen wie Benutzerdaten, Passwörter oder Kreditkartendaten.

Ab wann ist es sinnvoll, die Überwachung der neuen gTLDs anzugehen, um sich vor betrügerischen Aktivitäten zu schützen?
Frank Schulz: Derzeit kann man davon ausgehen, dass die Domains „.marke“ nicht vor 2013 online gehen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Ausweitung des Monitoring aus diesem Grund noch nicht sinnvoll, da es schlichtweg überflüssig wäre. Bis zur Einführung der neuen gTLDs ist es für die Markeninhaber jedoch wichtig, sich vor bereits bestehenden illegalen Websites, die den eigenen Markennamen missbrauchen, zu schützen und gegen sie vorzugehen. Sobald die neuen gTLDs live gehen, sollten diese dann auf jeden Fall auch Teil der Monitoring-Strategie werden.


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