Veranstaltungsbericht: „Probleme in der Rechtssprechung Hamburger Gerichte im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes“


von RA Karsten Prehm, Kiel

GRUR-Veranstaltung
Patriotische Gesellschaft, Hamburg
Referent: Markus Schneider, Vorsitzender Richter der 15. Zivilkammer, LG Hamburg
Vortragveranstaltung über „Probleme in der Rechtssprechung Hamburger Gerichte im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes“

Der Reimarus-Saal war voll.
Die geneigten Zuhörer, vorzugsweise Rechtsanwälte, waren teilweise von weit her angereist (es meldeten sich sogar Bochumer Rechtsanwälte zu Wort). Im übrigen sichtete man sogar Vertreter des 3. und 5. Zivilsenats des OLG Hamburg.

Der Referent begann seinen Vortrag zunächst mit der Mitteilung, dass die Zivilgerichte in Hamburg nunmehr dem Schutzschriftenregister angeschlossen seien.
Die Hinterlegung der Schutzschrift koste 45,- EUR.
Die Geschäftstellen hätten mittels Verfügung die Verpflichtung erhalten bei jedem Antrag auf eine einstweilige Verfügung im Vorwege beim Schutzschriftenregister anzufragen. Der Anfragenauszug komme dann zur Akte.

Der Referent kündigte sodann an, dass er sich bei seinem Vortrag auf den forensischen Teil beschränke.

Wer nunmehr angesichts der vollmundigen Überschrift der Veranstaltung erwartete, dass hier ein Vorsitzender Richter aus dem Nähkästchen plaudert und über die typischen Alltagsärgernisse und Probleme mit Rechtsanwälten referiert sowie hierzu von den Kammern und den Senaten präferierte Lösungsmöglichkeiten anbieten würde, sah sich enttäuscht.

Es folgte vielmehr ein grundsolides Referat im Stil einer Vorlesung.

Der Referent führte dabei haarklein die Grundlagen des einstweiligen Verfügungsverfahrens, und dessen Vorbereitung mittels Abmahnung aus. Punktuell wurde dabei auf immer wiederkehrende Problematiken im Abmahnverfahren Bezug genommen. Dabei wurde sowohl die Problematik der Abmahnung ohne Vollmacht und dessen Lösung über den § 174 BGB (nicht einseitiges Rechtsgeschäft) gestreift, wie auch die Risiken der Abgabe einer Unterlassungserklärung im Vergleich zur Hinnahme einer einstweiligen Verfügung. Hier wurde insbesondere auf die Risiken von fortlaufenden Verstößen durch Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) nach Abgabe eines Vertragsstrafeversprechens hingewiesen.

Ganz besonderer Augenmerk legte der Referent auf die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 II UWG. Speziell durchleuchtete er die Probleme einer analogen Dringlichkeitsvermutung im Patent- und im Markenrecht an Beispielen aus der Rechtspraxis.

Explizit stellte Herr Schneider klar, dass Hamburg in der Regel auch bei einem Zuwarten von bis zu 2 Monaten die Dringlichkeitsvermutung als nicht widerlegt ansieht. Ab über einem Monat müsse der Antragsteller jedoch zusätzlich vortragen, warum der Entscheidungsweg so lang war. Dies ließe sich bei größeren Unternehmen in aller Regel problemlos mit der längeren Entscheidungskette begründen. Natürlich verbiete sich aber eine schematische Lösung. Vielmehr sei der konkrete Einzelfall entscheidend. Sichtlich war in diesem Fall der Richter in dem Referenten bemüht, den Anwälten keinen Freibrief auszustellen.

Weiterhin wurde dann eingehend auf die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung binnen Monatsfrist eingegangen. Hierbei legte der Referent seinen Fokus auf die regelmäßig auftretenden Zustellungsmängel. Gerade bei der Beteiligung eines Rechtsvertreters stelle sich hier regelmäßig die Frage nach dem Umfang der Vollmacht und damit die Frage nach der Zustellung an die richtige Person, Anwalt oder Partei.

Im Rahmen der Vollziehung machte der Referent interessante Ausführungen zum Geschäftswert des anwaltlichen Abschlussschreibens. Während in der Regel die Hamburger Kammern eine 0,8 RVG-Gebühr als angemessen erachten, scheinen einige Kammern dazu zu tendieren, bei sehr einfach (formelmäßig) gehaltenen Abschlussschreiben nur noch eine 0,3 Gebühr zuzugestehen. Die Anwälte sollten also wegen Ihrer Gebühren auch in Hamburg auf der Hut sein und lieber etwas mehr schreiben.

Zu guter Letzt sah sich der Referent dazu veranlasst, aufgrund der sich ändernden Rechtssprechung zum Forumsshopping (der Anwalt beantragt bei verschiedenen Gerichten zeitgleich oder nacheinander die selbe einstweilige Verfügung mehrmals, bis er das hat, was er möchte) sich zu outen. Während andere Kammern und Senate hierin zusehens ein Dringlichkeitsproblem vermuten, ließ der Referent verlauten, dass er auch weiterhin –selbst bei Aufdeckung des Forumsshoppings- hierin kein Problem beim Erlass einer einstweiligen Verfügung sehe.

Fazit: Für alle, die sich regelmäßig oder sogar im Speziellen mit der Materie des gewerblichen Rechtsschutzes beschäftigen, war dieses Referat eine gute Veranstaltung für „Prüfe Dein Wissen!“.

Durch die vergleichsweise spektakuläre Namenswahl für die Vortragsveranstaltung der GRUR waren die Ansprüche des Forums an den Referenten wohl leider überzogen.

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Comments

Hallo Herr Kollege,

ich habe Ihren Beitrag mit Interesse gelesen, da ich ursprünglich auch an der Veranstaltung teilnehmen wollte – besten Dank dafür!
Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Gerichte in HH also nach wie vor die Vollmachtsvorlage im Original bei Abmahnung für erforderlich halten? Denn zumindest von den Kollegen “Massenabmahnanwälten” – gerade auch aus dem Hamburger Raum – wird dies ja regelmäßig nicht getan.

MfkG

Sehr geehrter Herr Kollege Twelmeier,

der Referent, Herr Richter Schneider, führte zu Ihrer Frage sinngemäß aus, dass u.a. die Hamburger Rechtssprechung davon ausginge, dass der § 174 BGB bei Abmahnungen mit einem beigefügten Angebot zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages nicht anwendbar sei, da es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten im Sinne des § 174 BGB handele. Anders würde es wohl aussehen, wenn nur eine reine Abmahnung ausgesprochen würde, da es sich dann tatsächlich um ein einseitiges Rechtsgeschäft handele. In dem letztgenannten Fall würden dann die Abmahnkosten folglich nicht anfallen.

MfkG
RA Prehm

Sehr geehrter Herr Kollege Prehm,
im Ergebnis entspricht diese Haltung also doch der bei Hefermehl § 12, 1.25 vertretenen Auffassung. Ich hatte hier eine andere Tendenz “herausgehört”, besten Dank für die Klarstellung.
Übrigens ist der gebührenrechtliche Aspekt des Abschlussschreibens sehr interessant. Im “Vergütungsrecht” von C.H.Beck (2007) wird die 0,8 Gebühr vertreten, zu berücksichtigen sei aber auch die Relation zu Höhe der tats. angefallenen Abmahngebühr.
MfKG

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